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    Infoboard
    16.03.2023

    Kampf der EU gegen Briefkastengesellschaften

    Die EU-Kommission hat bereits am 22. Dezember 2021 einen Richtlinienvorschlag für die «Unshell»- Richtlinie veröffentlicht. Mitte Januar 2023 wurde nun ein Update eröffnet. Grundsätzlich handelt es sich um eine EU-Regelung, sie kann aber auch Einfluss auf schweizerische Firmen in internationalen Strukturen haben. Insbesondere können Vorteile betreffend internationale Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) wegfallen.

    Aus­gangs­punkt der «Unshell»-Richt­linie

    Die «Unshell»-Richtlinie enthält Vorschriften zur Verhinderung des Missbrauchs von Briefkastenfirmen zu Steuerzwecken: Briefkastengesellschaften, die keine wirtschaftlichen Tätigkeiten ausüben und über keine Substanz verfügen, werden meldepflichtig und können nicht mehr die EU-Mutter-Tochter-Richtlinie oder DBA in Anspruch nehmen, sondern die Einkünfte werden ihren Anteilseignern direkt zugerechnet.


    Dies betrifft zukünftig zum Beispiel auch Privatpersonen – es handelt sich somit im Ergebnis um eine erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung, die auch auf Ebene von natürlichen Personen erfolgen kann. Darüber hinaus ist auch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der EU-Amtshilfe (DAC9) vorgesehen.

    An­wen­dungs­be­reich der Be­stim­mungen

    Die «Unshell»-Bestimmungen gelten grundsätzlich für alle Unternehmen, unabhängig von deren Rechtsform, die als in einem EU-Mitgliedstaat steuerlich ansässig gelten und Anspruch auf eine Ansässigkeitsbescheinigung in einem EU-Mitgliedstaat haben.


    Der aktuelle Richtlinienvorschlag gilt hingegen nicht für Drittstaatengesellschaften – hier wird aber im Laufe des Jahres 2023 ein eigener Richtlinienvorschlag erwartet.


    Es kann aber davon ausgegangen werden, dass, wenn schweizerische Gesellschaften in einem internationalen Konzern als Briefkastenfirma zu Steuerzwecken qualifiziert werden, vorteilhafte DBA-Ansprüche verwehrt werden können.

    Gateways

    Die «Unshell»-Richtlinie legt einen stufenweisen Ansatz für die Steuerbehörden fest, um Unternehmen zu identifizieren, denen ein Mindestmass an Substanz fehlt und die missbräuchlich zur Erlangung von Steuervorteilen genutzt werden. Hierfür soll in einem ersten Schritt das Vorliegen dreier Kriterien, sogenannter Gateways, geprüft werden:

    • Einkünfte: Mehr als 65% der Einkünfte des Unternehmens in den beiden vorangegangenen Steuerjahren bestehen aus «passiven Einkünften» wie Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und Einkünften aus Kryptoanlagen, Versicherungen und Immobilien usw. Diese Anforderung wäre auch erfüllt, wenn mehr als 75% der Vermögenswerte aus Vermögenswerten bestehen, die solche passiven Einkünfte generieren.
    • Grenzüberschreitendes Element: Entweder waren in den vorangegangenen zwei Jahren mehr als 55% des Buchwerts der «Vermögenswerte mit passivem Einkommen» ausserhalb des Mitgliedstaats des Unternehmens angesiedelt, oder mehr als 55% der passiven Einkünfte des Unternehmens werden durch grenzüberschreitende Transaktionen erzielt oder ausgezahlt.
    • Management und Verwaltung: Das Unternehmen hat die Verwaltung seines Tagesgeschäfts und die Entscheidungsfindung an einen Dritten ausgelagert (Auslagerung im Konzern ist daher unschädlich).


    Die Änderungen sehen auch vor, dass die ursprüngliche Ausnahme für Gesellschaften, die zumindest fünf Vollzeitmitarbeitende aufweisen, gestrichen werden soll.


    Sind alle drei Kriterien zusammen erfüllt, ist eine Gesellschaft als risikobehaftet («entity at risk») einzustufen. Sie muss dann im Rahmen ihrer Steuererklärung einer zusätzlichen Berichtspflicht nachkommen. Es gibt jedoch Ausnahmen, zum Beispiel für börsenkotierte Unternehmen bzw. regulierte Finanzunternehmen sowie für Unternehmen mit mindestens fünf eigenen (Vollzeit-)Beschäftigten, die ausschliesslich in Bezug auf die relevanten Einkünfte tätig sind.


    Zwar besteht laut Richtlinienentwurf die Möglichkeit, die Vermutung, dass es sich um eine Briefkastenfirma handelt, zu widerlegen, das dürfte in der Praxis jedoch schwierig sein.

    Kon­se­quenzen

    Verfügt die Gesellschaft über keine Mindestsubstanz und kann sie die Vermutung einer Briefkastenfirma auch nicht widerlegen, sollen vorhandene Quellensteuerbegünstigungen durch DBA oder EU-Richtlinien versagt werden. Das heisst, Dividenden-, Zins- oder Lizenzeinkünfte der Briefkastenfirma sollen dann bei den Gesellschaftern so besteuert werden, als ob ihnen die Einkünfte unmittelbar zugeflossen wären («look-through approach»), sofern sowohl Anteilseigner als auch Zahler in der EU ansässig sind. Damit könnten insbesondere für Zwecke des Quellensteuereinbehalts keine Abkommens- oder EU-Richtlinienvorteile durch die Briefkastenfirma in Anspruch genommen werden. Die Briefkastenfirma soll im Ergebnis negiert werden, das heisst, sie gilt als «nicht existent».

    Fazit

    Internationale Firmenkonstrukte (bspw. Tochtergesellschaften in der EU) sollten sich bewusst werden, dass bei Gesellschaften mit wenig Substanz abkommensrechtliche Vorteile in Gefahr sein könnten. Da die Substanzbetrachtung rückwirkend erfolgt, sollte man, falls vorhanden, Substanz bei allen Firmen generieren.


    Es wird spannend sein, wie die Schweiz darauf reagiert und wie sich das steuerliche Umfeld in Zukunft verändern wird.

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