Das neue Aktienrecht ab 1. Januar 2023: die wichtigsten Neuerungen im Überblick
Mehr Spielraum bei Aktienkapital und Dividenden

Private KMU können künftig ihr Aktienkapital, das weiterhin mindestens CHF 100'000 beträgt, in einer zulässigen Fremdwährung wie Euro, US-Dollar oder britisches Pfund führen, wenn dies ihre gängige Währung ist. Ein Währungswechsel ist jeweils zu Beginn eines Geschäftsjahrs möglich. Der Nennwert von Aktien kann kleiner sein als das heutige Minimum von CHF 0.01, muss jedoch grösser sein als null.
Aktiengesellschaften können neu ein sogenanntes Kapitalband mit einer Bandbreite von plus 50% bzw. minus 50% des eingetragenen Aktienkapitals einführen. Im Rahmen des Kapitalbands kann der Verwaltungsrat das Aktienkapital innerhalb von maximal fünf Jahren herabsetzen oder erhöhen. Die Bestimmungen über die beabsichtigte Sachübernahme bei der Gründung oder Kapitalerhöhung werden abgeschafft. Neu können Interimsdividenden aus dem laufenden Geschäftsjahr ausgeschüttet werden. Im Weiteren darf die gesetzliche Kapitalreserve (Agio und andere den Nennwert übersteigende Einlagen) unter gewissen Voraussetzungen an die Aktionäre zurückbezahlt werden.
Die Führung des Aktienkapitals in einer Fremdwährung und die Einführung
eines Kapitalbands per 1. Januar 2023 können von der Generalversammlung bereits
in diesem Jahr beschlossen werden. Die jeweilige Statutenänderung muss unter
der Bedingung des Inkrafttretens des neuen Aktienrechts erfolgen.
Stärkung der Aktionärs- und Minderheitsrechte
Im neuen Aktienrecht
können Aktionäre von privaten KMU, die mindestens über 10% des Aktienkapitals
oder der Stimmrechte verfügen, dem Verwaltungsrat jederzeit und nicht nur an
der Generalversammlung Fragen stellen. Der Verwaltungsrat muss diese Fragen
innerhalb von vier Monaten beantworten. Im Weiteren steht den Aktionären von
privaten KMU, die mindestens über 5% des Aktienkapitals oder der Stimmrechte
verfügen, ohne Ermächtigung durch die Generalversammlung ein Einsichtsrecht in
die Geschäftsbücher und Korrespondenzen zu, sofern es für die Ausübung der
Aktionärsrechte erforderlich ist, vorbehältlich der schützenswerten Interessen
der Gesellschaft. Neu wurde der Schwellenwert der Minderheitsaktionäre bei
privaten KMU für die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen an der
Generalversammlung sowie für die Einberufung einer ausserordentlichen
Generalversammlung auf 5% herabgesetzt.
Nutzung digitaler Technologien bei der Generalversammlung
Das neue Aktienrecht erlaubt die Nutzung von digitalen Technologien bei der Abhaltung von Generalversammlungen. Neu können virtuelle Generalversammlungen (z.B. Videokonferenzen) abgehalten werden. Zulässig sind auch Generalversammlungen, die an verschiedenen Tagungsorten oder im Ausland abgehalten werden, sofern dadurch die Ausübung der Aktionärsrechte nicht in unsachlicher Weise erschwert wird. Universalversammlungen können neu elektronisch oder in Schriftform durchgeführt werden.
Die Abhaltung von virtuellen Generalversammlungen sowie von Generalversammlungen im Ausland erfordert einer Grundlage in den Gesellschaftsstatuten, die bereits im Jahr 2022 unter dem Vorbehalt des Inkrafttretens des neuen Aktienrechts geschaffen werden kann.

Aktionärsklagen
Neu kann die Generalversammlung beschliessen, dass die Gesellschaft eine Rückerstattungsklage oder eine Verantwortlichkeitsklage gegen ein fehlbares Organ wie Verwaltungsrat oder Revisionsstelle einreichen muss. Die relative Verjährungsfrist für Verantwortlichkeitsklagen beträgt neu nur noch drei Jahre.
Sanierung und Liquidität
Das neue
Aktienrecht stellt im Zusammenhang mit Sanierungsfällen neu die Liquidität der
Gesellschaft in den Mittelpunkt. Der Verwaltungsrat muss die Liquidität der
Gesellschaft fortlaufend überwachen. Besteht die begründete Besorgnis einer
drohenden Zahlungsunfähigkeit, ist der Verwaltungsrat verpflichtet, geeignete
Massnahmen zur Sicherstellung der Liquidität zu ergreifen und wenn nötig
zusätzliche Sanierungsmassnahmen einzuleiten. Neu ist der Verwaltungsrat nicht
mehr verpflichtet, die Bilanz im Überschuldungsfall beim Konkursrichter zu
deponieren, wenn begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innert
angemessener Frist, d.h. spätestens 90 Tage nach Vorliegen der geprüften
Zwischenabschlüsse, behoben werden kann, wobei die Forderungen der Gläubiger
nicht zusätzlich gefährdet werden dürfen.
Anpassung von Statuten und Organisationsreglementen
Die aktuell geltenden Statuten und Organisationsreglemente erschweren es den privaten KMU, die Flexibilität des neuen Aktienrechts auszuschöpfen. Bestimmungen, die dem neuen Aktienrecht widersprechen, bleiben bis längstens 1. Januar 2025 in Kraft und müssen bis dahin geändert werden.
Fazit
Bereits
in diesem Jahr gibt es vieles zu entscheiden. Privaten KMU ist zu empfehlen,
die bestehenden Statuten und Reglemente zu überprüfen und zu entscheiden, wann
sie angepasst werden. Insbesondere im Zusammenhang mit der künftigen Abhaltung
von Generalversammlungen kann eine Anpassung schon in diesem Jahr 2022 angezeigt
sein. Ansonsten sind die Statuten bis spätestens 1. Januar 2025 anzupassen.
Wir unterstützen
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