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    Infoboard
    19.04.2018

    Sperrfristen – zeitliche Einschränkung der Kündigungsfreiheit

    Die zeitliche Einschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers soll Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Krankheit, Unfall, Militär- und Zivildienst sowie Schwangerschaft und während des Mutterschaftsurlaubs vor einer Kündigung schützen. Diese Sperrfristen bieten für den Arbeitgeber mitunter auch Tücken. Der Artikel zeigt Arbeitgebern, worauf sie bei der korrekten Umsetzung der gesetzlichen Sperrfristen im Alltag achten sollten.
    Sperrfristen – zeitliche Einschränkung der Kündigungsfreiheit

    Die in Artikel 336c des schweizerischen Obligationenrechts OR geregelten Sperrfristen stellen eine Einschränkung der Kündigungsfreiheit dar. Zweck dieses Artikels ist es, den Arbeitnehmer in einer Periode, in der er kaum eine Chance bei der Stellensuche hat und von einem Arbeitgeber in Kenntnis der Arbeitsverhinderung nicht angestellt werden würde, vor einem Verlust der Arbeit zu schützen.


    Damit der Sperrfristenschutz zur Anwendung gelangt, muss sich zum Zeitpunkt der Kündigung oder während der Kündigungsfrist ein in Art. 336c Abs. 1 OR umschriebener Tatbestand verwirklicht haben. Dabei gilt die Sperrfrist ab dem auslösenden Tatbestand und nicht erst ab dem Wissen der Vertragspartner.


    Eine Kündigung ist beispielsweise auch dann nichtig, wenn ein Arbeitnehmer, dem während mehrtägiger unentschuldigter Arbeitsabwesenheit gekündigt wird, nachträglich ein ärztliches Zeugnis vorlegt, das für den Zeitpunkt der Kündigung gilt.

    Dass der Arbeitgeber nichts von der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers gewusst hat, tut nichts zur Sache. Ebenso ist eine Schwangere, die noch nicht weiss, dass sie schwanger ist, nicht kündbar.

    Dauer und Mass der Sperr­frist

    Die Bestimmungen des Art. 336c OR sind einseitig zwingend – sie können weder vertraglich verkürzt noch wegbedungen werden. Gewisse Gesamtarbeitsverträge sehen sogar noch strengere Bestimmungen, das heisst stärkere Einschränkungen der Kündigungsfreiheit, vor. Der Arbeitgeber sollte deshalb im konkreten Fall vorerst den anwendbaren Gesamtarbeitsvertrag prüfen. Bei Teilzeitanstellungen gilt die Sperrfrist mit gleicher Dauer und zwar auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit – bei Teil-Arbeitsunfähigkeit – zeitlich nicht in die Arbeitszeit fällt.


    Das Mass bzw. der Grad der Arbeitsunfähigkeit beeinflusst weder die Anwendung noch die Dauer der Sperrfrist, da die Erschwernis beim Finden einer neuen Stelle auch bei teilweiser Arbeitsverhinderung gegeben sein kann.

    Dienst­jahre un­be­dingt be­achten

    Besondere Aufmerksamkeit verlangt die Frage, wie Übergänge vom ersten zum zweiten sowie vom fünften zum sechsten Dienstjahr zu behandeln sind, da sich bei diesen Übergängen die Sperrfristen von 30 auf 90 respektive von 90 auf 180 Tage verlängern. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichts müssen die Übergänge wie folgt behandelt werden: Greift die Arbeitsunfähigkeit in ein Dienstjahr mit längerer Sperrfrist, wird die längere Sperrfrist angewendet, ausser die mit der kürzeren Sperrfrist verlängerte Kündigungsfrist ist bereits beim Dienstjahreswechsel abgelaufen.


    Ist die kürzere Sperrfrist beim Wechsel des Dienstjahrs bereits abgelaufen, das Arbeitsverhältnis dauert aber noch an, wird die Kündigungsfrist mit Beginn des neuen Dienstjahrs wieder unterbrochen, wobei die bereits im alten Jahr abgelaufene Sperrfrist an die längere Sperrfrist anzurechnen ist. Die Zeit zwischen dem Ablauf der kürzeren Sperrfrist im alten Dienstjahr und dem Beginn des neuen Dienstjahrs wird dabei an die Kündigungsfrist angerechnet. Während der im alten Jahr verbleibenden Zeit zwischen Ablauf der kürzeren Sperrfrist und Beginn des neuen Dienstjahrs mit der längeren Sperrfrist ist eine Kündigung möglich.

    Aus­nahmen bei Sperr­fristen

    • Probezeit
      Der zeitliche Kündigungsschutz gilt erst nach Ablauf der Probezeit. Wird ein Arbeitsverhältnis noch während der Probezeit gekündigt, besteht kein Sperrfristenschutz – auch dann nicht, wenn die Kündigungsfrist nicht mehr in der Probezeit liegt und die Arbeitsunfähigkeit erst nach Ablauf der Probezeit eintritt. Wurde eine Probezeit aufgrund von Krankheit, Unfall oder Erfüllung gesetzlicher Pflichten verlängert, setzt der Sperrfristenschutz erst nach Ablauf der verlängerten Probezeit ein.
    • Arbeitnehmerkündigung
      Die Bestimmungen des Art. 336c OR gelten nur für Arbeitgeberkündigungen. Ein Arbeitnehmer kann auch während einer Sperrfrist kündigen. Ebenso wird die laufende Kündigungsfrist nach einer Arbeitnehmerkündigung nicht unterbrochen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig wird.
    • Feste Vertragslaufzeit
      Die Sperrfristenregelungen sollen Arbeitnehmer vor einer unerwarteten Arbeitgeberkündigung zur Unzeit schützen. Bei einer zum Voraus vereinbarten Vertragslaufzeit ist es aufgrund des fehlenden Schutzinteresses des Arbeitnehmers nicht möglich, das Arbeitsverhältnis zu verlängern.
    • Fristlose Kündigung
      Eine fristlose Kündigung ist auch während einer laufenden Sperrfrist möglich. Ist die fristlose Kündigung aber ungerechtfertigt, verlängert sich die Lohnersatzpflicht um die Dauer der Arbeitsunfähigkeit, maximal aber um die Dauer der anwendbaren Sperrfrist sowie um die zusätzliche Verlängerung gemäss Art. 336c Abs. 3 OR. Zu beachten ist zudem, dass bei einer ungerechtfertigten fristlosen Kündigung allenfalls eine Entschädigungszahlung durch den Arbeitgeber zu leisten ist.

    Ku­mu­la­tion von Sperr­fristen

    Jede Krankheit, jeder Unfall, jede Schwangerschaft sowie jeder Militär- oder Zivildienst von ausreichender Länge, die zu Arbeitsunfähigkeit führen, lösen eine Sperrfrist aus. Dadurch ist es möglich, dass sich mehrere Sperrfristen ergeben, die sich überlappen oder aufeinander folgen. So kann beispielsweise ein Arbeitnehmer während des Militärdiensts erkranken – dasselbe könnte auch für eine verletzte Arbeitnehmerin gelten. Auch mehrere Erkrankungen oder Verletzungen, die zu Arbeitsunfähigkeit führen, lösen jeweils eine neue Sperrfrist aus.


    Eine Folgeerscheinung oder ein Rückfall der ersten Gesundheitsstörung lösen keine neue Sperrfrist aus. Dies gilt beispielsweise für eine Lungenentzündung, die sich aus einer Erkältung entwickelt hat. Bei einem Rückfall kann allerdings die noch nicht aufgebrauchte Sperrfrist in Anspruch genommen werden. So ist ein Arbeitnehmer, welcher wegen einer Krankheit 55 Tage ausfiel, bei Rückfall und einer Sperrfrist von 90 Tagen noch während 35 Tagen geschützt respektive eine laufende Kündigungsfrist wird um weitere 35 Tage unterbrochen.


    Bei Krankheiten, die nur in grösseren Abständen auftreten und bei denen zwischen den einzelnen Krankheitsphasen längere Phasen ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen liegen, werden die einzelnen Krankheitsphasen als Tatbestände, die selbständige Sperrfristen auslösen, betrachtet.


    Beispiele sind eine schubweise verlaufende Multiple Sklerose, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Depressionen oder Angstzustände.

    Kündigungsfrist durch Rückwärtsrechnung

    Wirkung von Sperr­fristen

    Eine während einer Sperrfrist durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung ist nichtig und entfaltet keinerlei Wirkung – sie wird auch nicht nach Ablauf der Sperrfrist gültig, sondern muss erneut ausgesprochen werden. Ist unklar, ob eine Sperrfrist läuft oder nicht, ist dem Arbeitgeber dringend zu empfehlen, nach Ablauf der bestrittenen Sperrfrist die Kündigung vorsorglich erneut auszusprechen, um zu vermeiden, dass das Arbeitsverhältnis länger als notwendig bestehen bleibt.


    Eine Kündigung, die der Arbeitgeber vor Eintritt eines Sperrfristentatbestands ausgesprochen hat, bleibt gültig. Nach der Bundesgerichtspraxis ist die Kündigungsfrist durch Rückwärtsrechnung zu bestimmen. Wenn beispielsweise jeweils auf Ende eines Monats gekündigt werden darf und die Kündigung bei einer zweimonatigen Kündigungsfrist am 15. März ausgesprochen wurde, läuft die Kündigungsfrist, während der Arbeitsunfähigkeiten eine Sperrfrist auslösen können, vom 1. April bis zum 31. Mai. Massgebend ist jeweils die konkrete Kündigungsfrist, also die tatsächliche Dauer. So sind bei einer Kündigungsfrist von einem Monat und einer Kündigung auf Ende Februar 28 Tage massgebend und nicht 30 oder 31 Tage. Die Kündigungsfrist läuft jeweils bis zum Eintritt des Sperrfristentatbestands, die restlichen Tage der Kündigungsfrist werden nach Ablauf der Sperrfrist angesetzt. Da Art. 336c OR einen möglichst nahtlosen Anschluss des gekündigten Arbeitsverhältnisses an ein Folge-Arbeitsverhältnis sicherstellen wollte, sieht Art. 336c Abs. 3 OR vor, dass das Arbeitsverhältnis bis zum nächsten Monatsende erstreckt wird, sofern der Arbeitsvertrag keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Ende jedes Arbeitstags vorsieht.


    Mehrere Sperrfristentatbestände können zu einer weiteren Erstreckung der Kündigungsfrist führen, sofern sie nicht erst während der Erstreckung im Sinne von Art. 336c Abs. 3 OR eintreten. Letztere kann nicht mehr durch Sperrfristen gehemmt werden.

    Auf­he­bungs­vertrag als Va­ri­ante

    Insbesondere bei kurzen Arbeitsunfähigkeiten von teils bloss einem Tag kann für Arbeitgeber die unbefriedigende Situation entstehen, dass ein Arbeitsverhältnis auf Grund von Art. 336c Abs. 3 OR unverhältnismässig lange verlängert wird. Ebenso melden sich vermehrt Arbeitnehmer krank, sobald der Arbeitgeber ihnen gekündigt hat, und erwirken dadurch eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses.


    Eine Möglichkeit, solche Situationen zu vermeiden, ist die Einigung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf einen Aufhebungsvertrag, in welchem die Parteien das Arbeitsverhältnis durch gegenseitige Übereinkunft beenden und darin festhalten, dass auf eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses aufgrund von Krankheit oder Unfall verzichtet wird. Wichtig dabei ist, dass der Vertrag im Interesse des Arbeitnehmers liegt, dass dieser also ein vernünftiges Interesse an dessen Abschluss hat. In der Regel liegt ein solches nicht vor, wenn der Aufhebungsvertrag gegenüber der Kündigung dem Arbeitnehmer keine Vorteile bietet und somit im alleinigen Interesse des Arbeitgebers liegt.


    In einem solchen Fall würde ein Gericht wohl davon ausgehen, dass die Aufhebungsvereinbarung eine Umgehung der einseitig zwingenden Sperrfristenregelungen darstellt. Dies führt zur Ungültigkeit des Aufhebungsvertrags sowie dazu, dass die Sperrfristenregelungen trotz Aufhebungsvertrag zur Anwendung gelangen.

    Fazit

    Plant der Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer zu kündigen, muss er stets die Sperrfristen im Auge behalten. Eine Kündigung während laufender Sperrfrist ist nichtig. Wird der Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitgebers während der laufenden Kündigungsfrist arbeitsunfähig, kann sich das Arbeitsverhältnis aufgrund der Sperrfrist um mehrere Monate verlängern. Eine Möglichkeit, dies zu vermeiden, besteht darin, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen fairen und ausgewogenen Aufhebungsvertrag abschliessen.
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