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    25.10.2018

    Arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit – Knacknuss für Personalverantwortliche

    Die arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit ist zwar kein neues Phänomen, tritt aber in jüngerer Zeit häufiger auf – vor allem im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen. Für Personalverantwortliche stellt das oft eine Herausforderung dar. Die folgenden Ausführungen zeigen auf, was im Umgang mit arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit aus rechtlicher Sicht zu beachten ist.
    Arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit – Knacknuss für Personalverantwortliche

    Ist ein Arbeitnehmer an seinem vertraglich definierten Arbeitsplatz vorübergehend nicht einsetzbar, obwohl er eigentlich normal arbeiten könnte und auch sein Privatleben nicht stark eingeschränkt ist, liegt eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit vor. Solche Konstellationen gab es schon immer – man denke beispielsweise an einen Sänger, der seinen Auftritt aufgrund einer starken Erkältung nicht wahrnehmen kann, oder an eine Mitarbeiterin im Lieferdienst, die aufgrund eines gebrochenen Beins keine Lieferungen ausführen kann.


    Seit einigen Jahren treten Fälle von arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit aber vermehrt im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen auf, die mit erhöhter psychischer Belastung am Arbeitsplatz zusammenhängen – beispielsweise in Folge von Mobbing, Konfliktsituationen oder auch Stress. Dem Arbeitgeber stellen sich in diesen Fällen insbesondere die Fragen, ob dem Arbeitnehmer andere Aufgaben übertragen werden können, ob ihm während der arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit Lohn zu entrichten ist und wann dem Arbeitnehmer gekündigt werden darf. Diese Fragestellungen werden nachfolgend analysiert und mit Hinweis auf mögliche rechtliche Probleme beantwortet.

    Über­tragung an­derer Auf­gaben

    Steht fest, dass es sich tatsächlich ausschliesslich um eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit handelt, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestützt auf das in Artikel 321d des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) festgehaltene Weisungsrecht sowie auf die Treuepflicht des Arbeitnehmers eine andere Aufgabe zuweisen, sofern im Betrieb eine vorhanden ist. Eine solche einseitige Zuweisung darf nur von vorübergehender Dauer und dem Arbeitnehmer zumutbar sein. Dies ist nicht der Fall, wenn dadurch der Heilungsprozess des Arbeitnehmers verlangsamt oder verhindert wird.


    Voraussetzung für die vorübergehende Zuweisung einer anderen Aufgabe innerhalb des Betriebs ist wie bereits erwähnt, dass tatsächlich eine ausschliesslich arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Ohne Arztzeugnis, das eine Arbeitsunfähigkeit explizit als arbeitsplatzbezogen ausweist, darf vom Arbeitgeber nicht angenommen werden, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich arbeitsplatzbezogen ist. In diesem Fall darf der Arbeitnehmer die Zuweisung einer anderen Aufgabe ohne negative Konsequenzen ablehnen.


    Kann der Arbeitgeber im Nachhinein nachweisen, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich arbeitsplatzbezogen war und hat der Arbeitnehmer die Ausführung einer ihm zugewiesenen zumutbaren Aufgabe abgelehnt, verliert der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch für die Dauer, während der ihm eine andere Aufgabe zugewiesen war, und der Arbeitgeber kann allenfalls Schadenersatz geltend machen. Aufgrund seiner arbeitsrechtlichen Treuepflicht ist der Arbeitnehmer seinerseits verpflichtet, den Arbeitgeber darauf hinzuweisen, dass die arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit ihm die temporäre Ausführung anderer zumutbarer Aufgaben ermöglicht.

    An­spruch auf Lohn­fort­zahlung

    Ist ein Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen an der Arbeitsleistung verhindert, besteht nach Art. 324a OR während einer beschränkten Zeit Anspruch auf Lohnfortzahlung. Dies trifft jedoch nur zu, wenn das Arbeitsverhältnis länger als drei Monate gedauert hat oder für eine Dauer von mehr als drei Monaten abgeschlossen wurde. Massgebend für die Arbeitsverhinderung ist ausschliesslich, ob der Arbeitnehmer seine vertragliche Arbeitstätigkeit ausüben kann oder nicht. Demnach hat der Arbeitnehmer auch bei einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Lohnfortzahlung. Es spielt dabei keine Rolle, ob der arbeitsunfähige Arbeitnehmer in seiner Lebensgestaltung ausserhalb des Arbeitsplatzes eingeschränkt ist oder nicht, ob er also zum Beispiel seinen üblichen Freizeitaktivitäten wie gewohnt nachgehen kann. Insbesondere bei psychischen Erkrankungen gehört es sogar oft zu den Therapiemassnahmen, dass der Betroffene während des Heilungsprozesses lernt, seinen Alltag wieder zu bewältigen und Freizeitaktivitäten nachzugehen – die strikte Bettruhe würde den Krankheitsverlauf in vielen Fällen verschlimmern.


    Eine Lohnfortzahlung wird ausschliesslich dann verneint, wenn die Arbeitsunfähigkeit selbstverschuldet ist, wobei dies von den Gerichten nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bejaht wird. Selbstverschuldet wäre eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit beispielsweise dann, wenn der Arbeitnehmer eine Konfliktsituation überwiegend selbst verursacht oder absichtlich zu deren Eskalation beigetragen hat.


    Da sich die Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeber je nach Dienstjahr des Arbeitnehmers und anwendbarer Skala über einen längeren Zeitraum erstrecken kann, haben viele Arbeitgeber zur Risikominimierung eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen. Diese übernimmt nach einer vertraglich vereinbarten Karenzfrist die gesetzliche Pflicht zur Lohnfortzahlung. Die Krankentaggeldversicherung kann bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit weitere Abklärungen durch Vertrauensärzte verlangen. Gelangt die Versicherung zur Überzeugung, dass die Arbeitsunfähigkeit arbeitsplatzbezogen ist, kann sie, gestützt auf die Schadensminderungspflicht des Arbeitnehmers, eine Frist ansetzen, innert welcher vom Arbeitnehmer erwartet wird, dass er eine andere Stelle annimmt. Kommt der Arbeitnehmer dieser Aufforderung nicht nach, kann die Krankentaggeldversicherung ihre Leistungen einstellen. Ob in einem solchen Fall die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers wiederauflebt, ist umstritten, wird aber in der neueren Lehre eher verneint.

    Kün­di­gungs­schutz und Sperr­fristen

    Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, während einer bestimmten Sperrfrist nicht kündigen (Art. 336c OR). Die Dauer dieser Sperrfrist ist von den Dienstjahren des Arbeitnehmers abhängig. Tritt die Arbeitsunfähigkeit während einer laufenden Kündigungsfrist ein, steht die Kündigungsfrist während der Sperrfrist still.


    Der Zweck der Sperrfrist besteht darin, den arbeitsunfähigen Arbeitnehmer in Zeiten, in denen seine Chancen gering sind, während der Kündigungsfrist eine neue Arbeit zu finden, vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes zu schützen. In jüngster Zeit haben einige namhafte Vertreter der Lehre sowie einige kantonale wie auch eidgenössische Urteile bei arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit den Kündigungsschutz verneint. Die Begründung war, dass ein Arbeitnehmer, der ausschliesslich in Bezug auf seinen Arbeitsplatz arbeitsunfähig sei, in der Suche einer neuen Arbeitsstelle nicht eingeschränkt sei und auch keine geringeren Chancen habe, eine neue Stelle zu erhalten. Dies hat zur Folge, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsunfähigkeit ausschliesslich arbeitsplatzbezogen ist, rechtswirksam kündigen kann respektive eine bereits laufende Kündigungsfrist nicht unterbrochen wird.


    Um Streitigkeiten über die Gültigkeit einer Kündigung zu vermeiden, weisen wir an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass dem Sperrfristenschutz ausschliesslich in den Fällen die Anwendung versagt wird, in denen ärztlich festgestellt wurde, dass sich die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich nur auf den konkreten Arbeitsplatz des Arbeitnehmers auswirkt und der Arbeitnehmer bei der Suche einer neuen Stelle also nicht eingeschränkt ist. In den meisten Fällen von Arbeitsunfähigkeit, insbesondere auch bei psychischen Erkrankungen, wird dieser Nachweis nicht erbracht werden können, da psychische Erkrankungen den betroffenen Arbeitnehmer meist auch in Bezug auf andere Stellen sowie in seiner gesamten Lebensgestaltung einschränken. In diesen Fällen sind die Bestimmungen betreffend Sperrfristen gemäss Art. 336c OR zu berücksichtigen.

    Fazit

    Die Lohnfortzahlungspflicht besteht unabhängig davon, ob eine Arbeitsunfähigkeit arbeitsplatzbezogen ist oder nicht. Die Sperrfristen nach Art. 336c OR gelangen zudem nur in den Fällen nicht zur Anwendung, in denen ein Arztzeugnis explizit eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit attestiert. In den übrigen Fällen bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit, die Arbeitsunfähigkeit durch einen Vertrauensarzt überprüfen zu lassen, wobei die Würdigung zweier unterschiedlicher Arztzeugnisse dem Gericht vorbehalten bleibt.

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