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    22.10.2020

    Öffentliches Beschaffungswesen – vom Preis- zum Qualitätswettbewerb

    Die gesetzlichen Grundlagen im Beschaffungswesen weichen auf Ebene Bund und Kantone oft ab. Mit der Revision der einzelnen Gesetzgebungen wurde eine Harmonisierung angestrebt. In diesem Artikel blicken wir auf einzelne Neuerungen, welche die revidierte Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen mit sich bringt.
    Öffentliches Beschaffungswesen – vom Preis zum Qualitätswettbewerb

    Ende 2019 haben die Kantone die revidierte interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB 2019) einstimmig verabschiedet. Um diese in das kantonale Recht zu übernehmen, müssen die Kantone den Beitritt zum Konkordat in eigenständigen kantonalen Gesetzgebungsverfahren in die Wege leiten.


    Per 10. Juli 2020 haben dieses Verfahren bisher lediglich die Kantone Aargau, Bern und Schwyz eingeleitet. Alle anderen Kantone sind noch nicht aktiv geworden. Solange der Beitritt zum Konkordat nicht erfolgt ist, ist die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 15. März 2001 (IVöB 2001) weiterhin gültig und anzuwenden.

    Har­mo­ni­sierung an­ge­strebt

    Per 1. Januar 2021 treten aber das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) sowie die revidierte Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB) in Kraft.


    Das Ziel dieser Revisionen ist es, die Beschaffungsordnungen schweizweit soweit wie möglich zu harmonisieren und so die Rechtssicherheit und Anwenderfreundlichkeit zu erhöhen.


    Durch die Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen wird ein wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltiger Einsatz der Mittel bezweckt, die Vergabensverfahren sind transparent und Anbietende werden gleichbehandelt und nicht diskriminiert. Die Einhaltung sorgt dafür, dass die Öffentlichkeit und auch Anbietende Vertrauen in den ganzen Prozess und die Vergabe erhalten.

    Ver­fah­rens­arten und Schwel­lenwert

    Im nicht von Staatsverträgen erfassten Bereich gelten gemäss unten stehende Tabelle zur IVöB 2001 die aufgeführten Schwellenwerte.


    Für Lieferungen mit höheren Auftragswerten bringt die IVöB 2019 eine Erleichterung mit sich. In Kantonen, die der IVöB 2019 beigetreten sind, können neu Lieferungen bis zu CHF 144'999.95 (unter 150'000) freihändig vergeben werden. Damit stimmen die Schwellenwerte für Lieferungen und Dienstleistungen im Bereich der freihändigen Vergabe in der IVöB 2019 und BöB überein. In der BöB werden Bauleistungen weiterhin zusammengefasst und nicht nach Bauhaupt- und Baunebengewerbe unterschieden. Hier ist somit keine Harmonisierung erfolgt.


    Die Schwellenwerte für Bereiche, die vom Staatsvertrag erfasst sind, erfahren keine Veränderungen und können den Anhängen der gesetzlichen Grundlagen entnommen werden. Auch hier gibt es hinsichtlich des Auftragsvolumens weiterhin Unterschiede zwischen dem BöB und der IVöB 2019.

    Schwellenwerte IVöB 2001

    Elek­tro­nische Ab­wicklung

    Beschaffungsvorhaben werden zunehmend elektronisch abgewickelt. Dadurch können Transaktionskosten gesenkt, die Transparenz erhöht und der Marktzutritt ortsfremder Anbieter gefördert werden.

    Aus diesem Grund sind elektronische Auktionen im Art. 23 der IVöB 2019 als zusätzliches Instrument nun explizit erwähnt. Weil mit der Digitalisierung die Anforderungen an die Datensicherheit steigt, ist von Seiten Auftraggebende sicherzustellen, dass in den Ausschreibungsunterlagen auf die Anforderungen an die Authentifizierung und Verschlüsselung der einzureichenden Daten hingewiesen wird.

    Ver­län­gerung Rechts­mit­tel­frist

    Mit der Revision wurde die Beschwerdefrist von 10 auf 20 Tage erhöht (Art. 56 IVöB 2019). Auftraggebende streben an, das Beschaffungsverfahren möglichst zeitnah abzuschliessen. Die sehr kurze Beschwerdefrist birgt das Risiko von unbegründeten und kurzfristigen Beschwerden, die das Beschaffungsverfahren deutlich verlängern. Durch die verdoppelte Beschwerdefrist darf erwartet werden, dass vor dem Einreichen der Beschwerde vertiefte und detaillierte Abklärungen getroffen werden.

    Zwin­gende Ver­öf­fent­li­chung von Pu­bli­ka­tionen

    Die Publikationspflicht für Ausschreibung, Zuschlag sowie Abbruch beim offenen und selektiven Verfahren auf einer vom Bund und Kanton gemeinsam betriebenen Internetplattform (momentan: simap.ch) ist neu in der IVöB 2019 integriert.


    Immer wieder geht vergessen, dass auch freihändig erteilte Zuschläge im Staatsvertragsbereich publiziert werden müssen. Durch die Publikation können Auftraggebende zusätzlich Rechtssicherheit gewinnen, da sie die nötige Transparenz und Möglichkeit zur Beschwerde geschaffen haben.

    Pa­ra­dig­men­wechsel bei den Zu­schlags­kri­te­rien

    Dem Faktor «Preis» wird bei den Zuschlagskriterien jeweils viel Gewicht beigemessen. Mit der Revision der gesetzlichen Grundlagen findet ein Wechsel vom Preis- zum Qualitätswettbewerb statt.


    Neu sind im Gesetz als Zuschlagskriterien in dem BöB unter anderem aufgeführt: Preisniveaus in den Ländern, Verlässlichkeit des Preises und Plausibilität des Angebots.


    In der IVöB 2019 wurde nur das letzte Kriterium ergänzt. Zudem findet sich in der IVöB 2019 die Kann-Formulierung für weitere Kriterien neben Preis und Qualität einer Leistung. Eine Harmonisierung zwischen Bund und Kantonen konnte somit nicht erreicht werden, obwohl es sich bei den Zuschlagskriterien um eine Kernbestimmung im Beschaffungsrecht handelt.

    Fazit

    Die bewährte Praxis und Rechtsprechung sind in die neuen gesetzlichen Grundlagen eingeflossen. Durch die Revision soll der administrative Aufwand bei den Anbietern gesenkt und ihnen den Marktzutritt erleichtert werden. Dies fördert den Wettbewerb und steigert damit auch die Wirtschaftlichkeit bei den Auftraggebenden.


    Die Harmonisierung hat jedoch nicht auf allen Ebenen stattgefunden, daher ist es fundamental, sich mit den Gesetzgebungen auseinanderzusetzen, um eine saubere Abwicklung von Ausschreibung bis zum Zuschlag sicherzustellen.


    Im Rahmen der Geschäftsführungsprüfung sollte die Geschäftsprüfungskommission die Abläufe bei der Auftragsvergabe zeitnah beurteilen. So kann das Risiko, dass die Schwellenwerte nicht oder falsch angewendet und folglich das falsche Verfahren gewählt wird, reduziert werden.

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