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    20.10.2022

    Die neuen Pflichten des Verwaltungsrats – bei finanzieller Notlage der Gesellschaft

    Das neue Aktienrecht tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. In diesem Teil 4 unserer Beitragsserie zum neuen Aktienrecht werden die Pflichten des Verwaltungsrats bei einer finanziellen Notlage der Gesellschaft thematisiert. Diese betreffen insbesondere die Pflichten zur Überwachung der Zahlungsfähigkeit sowie die Massnahmen bei Kapitalverlust und Überschuldung.
    Kapitalverlust und Überschuldung – die Pflichten des Verwaltungsrats

    Dieser Artikel ist eine Aktualisierung unseres Artikels vom 25. November 2021 über die Pflichten des Verwaltungsrats bei Kapitalverlust und Überschuldung. Diese werden durch das neue Aktienrecht durch die Pflichten betreffend der Zahlungsfähigkeit ergänzt und im Weiteren überarbeitet. Nachfolgend zeigen wir die (Handlungs-)Pflichten des Verwaltungsrats gemäss neuem Aktienrecht bei einer finanziellen Notlage der Gesellschaft auf. Diese Pflichten gelten im Grundsatz ebenfalls für die Geschäftsführung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

    Aus­gangs­lage

    Die Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle, der Finanzplanung sowie neu die allgemeine Pflicht zum Einreichen eines Gesuchs um Nachlassstundung sind unübertragbare und unentziehbare Aufgaben des Verwaltungsrats (nArt. 716a OR). Aus diesen Grundsätzen ergeben sich auch die in den neuen Artikeln 725 ff. OR konkretisierten Pflichten des Verwaltungsrats.

    Über­wa­chung der Zah­lungs­fä­higkeit und Mass­nahmen bei einer Zah­lungs­un­fä­higkeit

    Die bisherigen Pflichten beim Kapitalverlust und bei Überschuldung des Verwaltungsrats werden neu sowohl durch die allgemeine Pflicht zur Überwachung der Zahlungsfähigkeit sowie durch die zu treffenden Massnahmen bei einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit ergänzt (nArt. 725 OR).


    Die Überwachung der Zahlungsfähigkeit enthält insbesondere die Pflicht, dass der Verwaltungsrat die Liquidität der Gesellschaft überwacht und somit jederzeit, also nicht nur im Sanierungsfall, weiss, ob die Gesellschaft ihre finanziellen Pflichten fristgerecht erfüllen kann. Wie die Zahlungsfähigkeit überwacht werden soll, schreibt der neue nArt. 725 OR hingegen nicht vor. Obwohl die Pflicht zur Erstellung eines Liquiditätsplanes nicht in die finale Version der Aktienrechtsrevision aufgenommen wurde, ist die Erstellung eines solchen für die Überwachung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft

    empfehlenswert.


    Wenn der Gesellschaft die Zahlungsunfähigkeit droht, so ist der Verwaltungsrat verpflichtet, Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit und, soweit notwendig, zur Sanierung der Gesellschaft zu ergreifen. Zu beachten ist, dass bereits die drohende Zahlungsunfähigkeit und nicht erst die tatsächliche Zahlungsunfähigkeit das Handeln des Verwaltungsrats veranlasst. Auch hier werden die Massnahmen nicht genauer definiert, sondern es ist dem Verwaltungsrat überlassen, die jeweils für die Gesellschaft zutreffende Massnahme, bspw. Abschluss von Zahlungsvereinbarungen oder Streckung von Zahlungsfristen, zu bestimmen. Sollten Sanierungsmassnahmen in die Zuständigkeit der Generalversammlung fallen, so hat der Verwaltungsrat eine (ausserordentliche) Generalversammlung einzuberufen und in dieser die entsprechenden Massnahmen zu beantragen. Sanierungsmassnahmen müssen sich dabei auf die Liquidität auswirken, sodass der Abschluss einer Rangrücktrittsvereinbarung in den meisten Fällen nicht zielführend ist. Eine der liquiditätsrelevanten Sanierungsmassnahmen, die durch die Generalversammlung beschlossen werden könnten, stellt eine Kapitalerhöhung mittels Barliberierung dar.


    Notwendigenfalls ist der Verwaltungsrat verpflichtet, ein Gesuch um Nachlassstundung beim Gericht einzureichen. Dies stellt neu eine unübertragbare und unentziehbare Aufgabe des Verwaltungsrats dar (nArt. 716a Abs. 1 Ziff. 7 OR). Ein solches Gesuch wird üblicherweise nur dann vom zuständigen Gericht nicht bewilligt, wenn offen­sichtlich keine Aussicht auf Sanierung der Gesellschaft oder Bestätigung ei­nes Nachlassvertrages besteht. In die­sen Fällen eröffnet das Gericht von Amtes wegen den Konkurs der Gesell­schaft.


    Sämtliche Massnahmen sind dabei in der gebotenen Eile durch den Verwaltungsrat vorzunehmen. Auch hier sieht das Gesetz keine maximale Handlungsfrist für den Verwaltungsrat vor. Hingegen ist eine gewisse Eile geboten, damit eine realistische Möglichkeit zur Sanierung der Gesellschaft besteht.

    Mass­nahmen bei Über­schuldung

    Die Pflichten und Massnahmen des Verwaltungsrats bei einer Überschuldung der Gesellschaft werden neu in nArt. 725b OR geregelt. Eine Überschuldung liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind. Der Verwaltungsrat hat jedoch nicht erst Massnahmen zu treffen, wenn eine Überschuldung offensichtlich ist, sondern bereits, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass eine solche vorliegen sollte. Der Verwaltungsrat ist sodann verpflichtet, unverzüglich einen Zwischenabschluss zu Fortführungswerten und zu Veräusserungswerten zu erstellen.


    Auf einen Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten kann verzichtet werden, wenn die Annahme der Fortführung gegeben ist und der Zwischenabschluss keine Überschuldung aufweist. Auf denjenigen zu Fortführungswerten kann verzichtet werden, wenn die Annahme der Fortführung nicht gegeben ist. Neu sind somit Zwischenabschlüsse und nicht mehr nur eine Zwischenbilanz zu erstellen. Die Zwischenabschlüsse sind durch die Revisionsstelle respektive, sollte keine solche gewählt sein, durch den Verwaltungsrat ernannten zugelassenen Revisor zu prüfen. Sollte die Gesellschaft gemäss beiden Zwischenabschlüssen überschuldet sein, so ist der Verwaltungsrat verpflichtet, das Gericht zu benachrichtigen (die Bilanz zu deponieren) und entweder den Konkurs oder die Gewährung einer Nachlassstundung zu beantragen. Die Möglichkeit eines Konkursaufschubs besteht unter dem neuen Aktienrecht nicht mehr.


    Der Verwaltungsrat kann auf die Benachrichtigung des Gerichts verzichten, wenn ein Rangrücktritt im Ausmass der Überschuldung besteht oder wenn begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innert angemessener Frist respektive spätestens nach 90 Tagen behoben werden kann und dass die Forderungen der Gläubiger nicht zusätzlich gefährdet werden. Die Voraussetzungen für einen gültigen Rangrücktritt werden neu im Gesetz ebenfalls festgehalten. So muss die im Rang zurückgetretene Forderung während der Dauer der Überschuldung gestundet werden und sowohl den geschuldeten Betrag als auch die Zinsforderungen umfassen. Gemäss Art. 6 der Übergangsbestimmungen ist diese Bestimmung erst ab dem 1. Januar 2025 auf bereits bestehende Verträge anwendbar.


    Analog wie bei den Massnahmen beim Kapitalverlust handelt der Verwaltungsrat wie auch die Revisionsstelle respektive der zugelassene Revisor jeweils in der gebotenen Eile. Es ist jedoch zu erwarten, dass insbesondere die Ernennung des zugelassenen Revisors sowie dessen Prüfung der Jahresrechnung einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

    Mass­nahmen beim Ka­pi­tal­verlust

    Der Kapitalverlust wird in nArt. 725a OR neu so definiert, als dass die Aktiven abzüglich der Verbindlichkeiten die Hälfte der Summe aus Aktienkapital, nicht an die Aktionäre zurückzahlbarer gesetzlicher Kapitalreserve und gesetzlicher Gewinnreserve nicht mehr decken. Diese Formulierung ist zwar neu, aber konzeptionell mit der vormaligen Bestimmung in Art. 725 Abs. 1 OR vergleichbar.


    Gemäss der neuen Regelung in nArt. 725a OR ist der Verwaltungsrat grundsätzlich nur noch dazu verpflichtet, Massnahmen zur Beseitigung des Kapitalverlustes zu treffen. Eine solche Beseitigung des Kapitalverlustes kann erreicht werden, ohne dass tatsächlich neues Kapital der Gesellschaft zufliesst, indem bspw. stille Reserven aufgelöst oder der Jahresverlust respektive der Verlustvortrag mit den Reserven verrechnet werden. Nur soweit erforderlich sind weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft zu treffen oder bei der Generalversammlung zu beantragen. Entsprechend ist neu nur noch eine Generalversammlung einzuberufen, sofern die Kompetenz zum Beschluss der durch den Verwaltungsrat gewählten Massnahmen bei der Generalversammlung liegt.


    Als neue Pflicht des Verwaltungsrats wurde aufgenommen, dass die letzte Jahresrechnung durch die Revisionsstelle prüfen zu lassen ist, sollte die Gesellschaft einen Kapitalverlust haben. Sofern die Gesellschaft keine Revisionsstelle hat, ist vor der Abnahme der Jahresrechnung der Gesellschaft diese durch einen zugelassenen Revisor im Rahmen einer eingeschränkten Revision prüfen zu lassen. Dem Verwaltungsrat wird dabei das Recht zur Ernennung des zugelassenen Revisors eingeräumt. Diese Pflicht zur Prüfung der Jahresrechnung entfällt nur, wenn der Verwaltungsrat ein Gesuch um Nachlassstundung bei Gericht einreicht.


    Der Verwaltungsrat wie auch die Revisionsstelle respektive der zugelassene Revisor handelt jeweils in der gebotenen Eile. Es ist jedoch zu erwarten, dass insbesondere die Ernennung des zugelassenen Revisors sowie dessen Prüfung der Jahresrechnung einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

    Fazit

    Die neuen respektive ergänzten Pflichten des Verwaltungsrats in Bezug auf Zahlungsunfähigkeit, Kapitalverlust und Überschuldung sind vielfältig. Der Verwaltungsrat ist weiterhin dazu angehalten, die finanzielle Lage der Gesellschaft jederzeit zu überwachen und die notwendigen Massnahmen rechtzeitig zu ergreifen. Im Hinblick auf die Änderung bei den Rangrücktrittsvereinbarungen ist zu prüfen, ob neue Rangrücktrittsvereinbarungen ab dem 1.01.2023 und bereits bestehende Rangrücktrittsvereinbarungen ab dem 1.01.2025 den neuen gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen.

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